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Haushaltsrede 2021

SPD-Kreistagsfraktion/ Vors. Hans-Peter Müller

Rede zur Verabschiedung des Kreishaushalts 2021

in der Sitzung des Kreisausschusses am 01. Februar 2021

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sperrfrist: Redebeginn

Sehr geehrter Herr Landrat,

meine Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

als ich vor einigen Wochen zum ersten Mal den Kreishaushalt 2021 aufschlug und das Zahlenwerk untersuchte, galt mein erster Gedanke den Städten, denen ich in diesen Zeiten  – nach ihren immensen Anstrengungen der letzten Jahre und ihrem hohen Engagement in der Pandemiezeit – ein Aufatmen gönnen würde. Mir ist noch sehr wohl das Gefühl bekannt, als ehemaliger Fraktionsvorsitzender einer kreisangehörigen Stadt, wie abhängig man sich in diesen Tagen vor den Haushaltsverabschiedungen fühlt. Man wartet auf die Nachrichten übergeordneter Gremien und Entscheidungsträger. Dabei hat man immer das Gefühl, dass die jeweilige Stadt zum Schluss die Lasten tragen und bei den Bürgern dafür geradestehen muss.

In diesem Sinne muss man als Kommunalpolitiker den Kreishaushalt zunächst auf seine Sparsamkeit überprüfen.

Lassen Sie mich vorwegnehmen, der Kreishaushaltsentwurf des Jahres 2021 ist ein solides Zahlenwerk, ohne politische Allüren, ohne zu hohe Lasten, die andere tragen müssen. Der uns zur Verabschiedung vorliegende Kreishaushalt 2021 in den Jahren bis 2024 eine gewaltige Verringerung der Zahllast von mehr als 173 Millionen Euro für unsere zehn Städte gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung des Vorjahres vor. Dies nehmen wir erfreut zur Kenntnis.

Eine Entlastung in dieser Größenordnung ist zunächst ein starkes Argument für eine Zustimmung zum Haushalt Aber machen wir uns nichts vor, die Entlastung gelingt vor allem durch das zusätzliche Geld aus Berlin, das wir dauerhaft für die Kosten der Unterkunft erhalten. Und darüber hinaus durch einen maßvollen Einsatz der Ausgleichsrücklage, die uns noch als Schwankungsreserve zur Verfügung steht. Es gelingt auch nur, weil auch wir uns,  schweren Herzens, dazu entschlossen haben der Tischvorlage zum Haushalt zuzustimmen. Die Bilanzierung der Kosten der Corona-Pandemie ist Buchungsakrobatik in Vollendung. Seien wir ehrlich, wahrscheinlich alle von uns, hätten den Kollegen in den Städten sicherlich gewünscht, dass Bund und Land die Kosten übernommen hätten. Nun isolieren wir sie im Haushalt und werden uns damit in den nächsten Jahren weiter beschäftigen müssen, ggf. auf 50 Jahre strecken, keine schöne Aussicht. Hier hat der Wunsch der Kämmerer und Bürgermeister für uns jedoch den Ausschlag gegeben. Wir dürfen nicht die Städte unbegrenzt belasten, dies hieße, sie im Stich lassen.

Nun aber, ein Zahlenwerk, welches nur die größtmögliche Reduzierung der Umlage im Auge behält und keine Impulse, keinen Ausgleich, keine Entwicklung anschiebt, ist für uns auch keine Alternative.

Wir entlasten jedoch mit diesem Zahlenwerk unsere Städte, ohne unsere eigenen Aufgaben und die drängenden Zukunftsthemen zu vernachlässigen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen.

Wir Sozialdemokraten haben uns für den Vestischen Klimapakt stark gemacht, den wir hier im Kreistag mit breiter Mehrheit auf den Weg gebracht haben. Erste Maßnahmen für den Klimaschutz, die Verkehrswende und die Mobilität wurden bereits beschlossen. Dazu gehören u. a.:

  • die Erarbeitung eines Klimaschutzkonzeptes;
  • die erhöhte Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs und stärkere Nutzung des Radverkehrs;
  • die Anschaffung von Wasserstoffbussen bei der Vestischen;
  • die Nutzung erneuerbarer Energien für kreiseigene Gebäude;

Auch uns geht es nie schnell und nie weit genug, dennoch müssen wir mit Augenmaß und mit Blick auf die leeren Taschen der Städte handeln und jeden Euro bestmöglich einsetzen.

So stellen wir auch zu diesem Themenkreis einen
Antrag, der zur Bündelung der Kräfte und zur Initiierung der bestmöglichen Impulse für den ÖPNV beitragen soll im Fachausschuss.

Auch die Digitalisierung wird sicher noch im Laufe der nächsten Monate, nein sogar Jahre, Ausgaben notwendig machen. Es ist nicht so, dass es nicht gute Ansätze gibt im Kreis Recklinghausen. Wie uns unsere Fachpolitiker noch in der letzten Sitzung berichten konnten, gibt es eine große Anzahl Best-Practice Beispiele.
Wir möchten eine breite Offensive zu einem Visions- und Strategieprozess initiieren. Hier kann man aus den ersten Erfahrungen der Stadt Herten lernen und mit dem Zukunftsprojekt Smart District Recklinghausen Fahrt aufnehmen. Auch hierfür werden wir in nächster Zeit eine breite Unterstützung benötigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir alle wissen, dass der Kreishaushalt in besonderer Weise durch gesetzliche Notwendigkeiten geprägt ist, insbesondere durch Sozialtransferleistungen. Nur ein ganz kleiner Teil entfällt auf freiwillige soziale Leistungen des Kreises. Man denke an die Frauenhäuser, an die Drogenberatung, an die Schwangerschaftskonfliktberatung und an die AIDS-Beratung. Diese Einrichtungen leisten gesellschaftlich wichtige Arbeit für die Menschen in unserer Region. Die SPD hat sich daher trotz allen Spardrucks stets dafür eingesetzt, dass diese Einrichtungen möglichst auskömmlich finanziert werden, zumal der Fortbestand dieser Angebote stark von öffentlicher Förderung abhängt. Gerade in Zeiten der Pandemie wird die Bedeutung dieser Einrichtungen und Leistungen offenkundig.

Die jahrelangen Anstrengungen unserer
Sozialpolitikerinnen bezüglich der Förderung der Frauenhäuser im Kreishaushalt fand nun Berücksichtigung. Die Unterstützung der Frauenhäuser, die keine Landesmittel erhalten, wurden erhöht, das begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich. Es war uns immer wichtig zu berücksichtigen, dass die Landesmittel lediglich einen landesweiten Standard darstellen. Wir dagegen vor Ort auch in allen Städten uns auf den Weg machen müssen, eine ausreichende Anzahl von Plätzen in Frauenhäusern vorzuhalten und diese gut auszustatten. Der Haushaltsansatz 2021 ist ein guter Anfang, hier sollten wir aber weiter drauf aufbauen und die engagierte Arbeit in den Frauenhäusern damit unterstützen. Um es kurz zu halten, wir können auch diesem Teil des Haushalts zustimmen. Möchten aber einen zusätzlichen Aspekt gerade in diesen Zeiten der häuslichen Enge für viele Familien berücksichtigt wissen.

Wir wünschen uns gerne ein gemeinsames Statement im Sinne der „der Konvention zur Verhütung und Bekämpfung gegen Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“. Wir möchten Sie heute im Hinblick auf eine gute Zusammenarbeit nicht überfallen mit einer, wie wir glauben, wichtigen Bitte oder Forderung. Daher haben wir einen Antrag an Herrn Landrat Klimpel gestellt und würden eine Projektstelle gerne im nächsten Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales anstoßen. Wir hoffen er erhält dort die notwendige Unterstützung der Fraktionen und der Verwaltung.

Wir möchten, dass im Projektverlauf ein Netzwerk von Hilfsdiensten (Fachberatungsstellen und Schutzeinrichtungen/Frauenhäusern), Behörden, Einrichtungen und Organisationen, sowie Berufsgruppen, wie Ärzten und Psychologen initiiert wird.

Eine Gesellschaft mit gegenseitigem Respekt und gewaltfreien Konfliktlösungen in zwischenmenschlichen Beziehungen ist nicht selbstverständlich, sondern dafür müssen wir Verantwortung tragen. Daher bitten wir im Verlauf des nächsten Sitzungsblockes um breite Zustimmung zur Schaffung dieser Projektstelle. Der Kreis Recklinghausen unterstreicht damit sein vorhandenes Engagement

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wünschen uns alle sehnlichst, dass wir in diesem Jahr den Weg zurück in die Normalität finden. Erst dann dürften die sozialen und wirtschaftlichen Schäden und auch die Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen allmählich sichtbar werden, die Corona angerichtet hat. Wir werden erst im Laufe des Jahres abschätzen können, wie stark die Gewerbesteuer bei den Städten einbricht. Bund und Land haben je zur Hälfte die Gewerbesteuerausfälle im letzten Jahr kompensiert, für 2021 gibt es solche Zusagen bislang nicht. Auch beim LWL in Münster ziehen düstere finanzwirtschaftliche Wolken auf: Auf einen Nachtrag zum Doppelhaushalt 2020/2021 will man verzichten, aber für das Haushaltsjahr 2022 hat man bereits angekündigt, den Hebesatz zur Landschaftsumlage infolge der pandemiebedingten Finanzschäden deutlich anheben zu müssen.

Hinzu kommt, dass uns das Land die durch Corona fehlende Summe im sogenannten GFG nur durch einen Kredit von knapp 1 Milliarden Euro aufstockt. D. h. auch dieses Geld hilft uns kurzfristig, treibt aber die Verschuldung unserer Städte weiter in die Höhe. Hier kann nur ein von uns jedes Jahr neu gefordertes Umdenken von Bund und Land helfen. Unseren 10 Städten mit einem unverschuldeten Kassenkreditschulden-Berg von rund 1,5 Milliarden Euro sind langfristig nur durch ein Schuldenerlass-Fonds zu helfen.

Wir als SPD-Fraktion laden den Kreistag dazu ein, in dieser Sache eine gemeinsame vorzubereitende Resolution auf den Weg zu bringen. Schließlich ist der Kreistag eine starke Stimme für die kreisangehörigen Städte. Es geht doch um nichts weniger als die Wiederherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit unserer Städte.

Meine Damen und Herren,

die nächsten Haushaltsjahre können nur schlechter werden als dieses. Wir müssen finanzpolitisch daher weiter mit Blick auf unsere 10 Städte auf der Hut sein. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist ein Ergebnis der Politik der letzten Jahre und ist gleichermaßen mit Augenmaß aufgestellt worden. Die SPD-Fraktion stimmt dem Gesamtpaket zum Haushalt 2021 und dem Stellenplan in der vorliegenden Form zu. Mein Dank geht an die Verwaltung für die Vorarbeiten zum Haushalt 2021 und für die Unterstützung in unseren Haushaltsberatungen.
Nur gemeinsam können wir diese Zeiten der Pandemie durchstehen.

Glückauf!